«Freude herrscht» war (und hiess) das Programm in der «Autohalle». Mit diesem Bonmot hatte der damalige Bundesrat Adolf Ogi (SVP) am 7. August 1992 den ersten Schweizer im Weltraum begrüsst, Astronaut Claude Nicollier. Am letzten Mittwoch traten die beiden in Andelfingen auf.
Er sei gleich alt wie Joe Biden, begann Adolf Ogi. Und das geflügelte Wort war für den Urheber nicht nur Segen, sondern brachte ihm auch Spott ein. Er sei «durch den Kakao gezogen worden», sagte Adolf Ogi und erzählte, wie es damals abgelaufen war. Bundespräsident Felber sei im Spital gewesen, als die Weltraumbehörden Nasa und Esa mitteilten, der Bundesrat dürfe über Funk mit Claude Nicollier reden.
Als Ogi das Matterhorn sah
Als Vizepräsident und Verkehrsminister sei er dafür prädestiniert gewesen. Dann sei er «da auf das Luzern» gegangen ins Verkehrshaus, erzählte Adolf Ogi in seinem typischen Oberländerberndeutsch weiter, und habe Instruktionen erhalten, was er sagen dürfe. Doch er wollte sich nichts vorschreiben lassen, er sei ja «der Chef der Schweiz, nicht die Putzequipe», sei es ihm durch den Kopf gegangen. Die Verbindung stand, er sah im Space Shuttle das Schweizerkreuz sowie ein Bild des Matterhorns, und dann sprudelte es aus ihm heraus – «usetrolet» sei es, sagte er: «Bonjour Monsieur Nicollier, ici Adolf Ogi, Freude herrscht.»
Claude Nicollier erinnert sich ebenfalls an den Moment. Es war der siebte Tag der 49. Space-Shuttle-Mission. Nach dem erfolgreichen Aussetzen einer Plattform misslang das zweite Hauptziel mit einem Fesselsatelliten. Die Stimmung in der Kapsel der Atlantis sei mies gewesen, als das Ferngespräch anstand. «Die positiven Worte hoben die Ambiance», erzählte er, sie hätten «Freude ins Weltall» gebracht und seien «in den Herzen geblieben». Bei allen an Bord.
Dann nahm er die Anwesenden mit auf die eindrückliche Reise in die Schwerelosigkeit, zum Arbeitsplatz mit der spektakulären Aussicht, und sprach sie zum Teil direkt an. So, als ob diese selber mitten in der Vorbereitung für eine Mission wären. «Wenn Sie mal im All sind: immer das Sicherheitskabel gut anbinden», sagte er – mit einem Bild von ihm auf der Leinwand, wie er während acht Stunden am Hubble-Teleskop eine Kamera ersetzte und dabei fünfmal um die Erde kreiste; es war 1999, sein letzter Flug ins All. Oder er riet, sich auf der Toilette anzuschnallen und dem beschriebenen Prozedere zu folgen, sonst habe die restliche Crew keine Freude.
80-jährig ist der Westschweizer. Ein Chalet in den Bergen habe er nicht, dafür ein Häuschen in Houston, wo er 25 Jahre lang lebte und von wo er auf Missionen reiste. Seine Begeisterung für die bemannte Raumfahrt war spürbar. «Es ist Arbeit, aber auch ein Privileg», sagte er. Und eben mit fantastischer Sicht nach unten. Ein Bild zeigte ein Space-Shuttle über dem Zürichsee.
Überhaupt das Hubble-Teleskop – es habe so viel gebracht für das Verständnis von Galaxien, sagte Claude Nicollier. Er war bei der Mission dabei, die 1993, drei Jahre nach der Aussetzung, die Korrektur am Hauptspiegel vornahm, sodass dessen Bilder brauchbar waren. Es seien so viele Emotionen damit verbunden.
Astronauten haben «the right stuff»
In der kurzen Fragerunde sagte er, Weltraumschrott sei ein Problem und das Risiko von Kollisionen vorhanden. Kein Problem für Astronauten sei, wenn eine Mission länger dauere als geplant, wie gerade aktuell der Fall für einen Mann und eine Frau. Wegen Problemen mit dem Raumschiff bleiben sie statt einer Woche acht Monate auf der Raumstation ISS, von Juni bis Februar. Für deren Familien könne es schwierig sein, räumte Claude Nicollier ein. Astronauten seien nicht egoistisch und hätten «the right stuff».
Das «Zeug für diesen Job» habe auch Marco Sieber. Vom zweiten Schweizer, der bald im All ist, hält er viel und sieht ihn als ersten Schweizer auf dem Mond. Das Buch «On a marché sur la Lune» von 1954 sei seine erste Inspiration gewesen, so der 1944 geborene Astrophysiker und Militärpilot. Ebenfalls inspirierend für ihn: Bei der Mondlandung von Apollo 11 im Juli 1969 sei er 25 gewesen.
«Freude herrscht» heisst auch die Stiftung, mit der Adolf und Katrin Ogi seit 2011 Kindern Spiel, Spass, Freude und Bewegung vermitteln. Gegründet haben sie diese zwei Jahre nach dem Tod ihres Sohns Mathias (35).
«Freude herrscht» – und die Stimmung im All verbesserte sich